von Daniel Behruzi
Stärke durch Organisation!
Die nicht-ärztlichen Beschäftigten der Kölner Uniklinik haben sich erfolgreich mit ver.di organisiert und gestreikt. Die Krankenpflegerin Rosa Hense berichtet, wie die Aktiven das geschafft haben.
»Wir sind viele und können etwas bewegen!«, freut sich die Gesundheits- und Krankenpflegerin Rosa Hense. Sie und viele ihrer Kolleg*innen der nicht-ärztlich Beschäftigten am Uniklinikum Köln haben sich in den vergangenen Wochen erfolgreich gewerkschaftlich organisiert, um für einen Tarifvertrag Entlastung zu kämpfen. »Mit der gewonnen Stärke können wir wirklich etwas bewegen«, ist sie überzeugt. Noch vor wenigen Jahren war nur ein kleiner Teil der Beschäftigten im Universitätsklinikum gewerkschaftlich organisiert. Jetzt stellen in ver.di organisierte Beschäftigte eine echte Größe im Klinikum dar. Wie haben die Aktiven das geschafft? Wer mit Rosa Hense redet, bekommt ein Bild davon.
Das Vorbild: die Berliner Krankenhausbewegung
»Ich habe richtig Bock auf Veränderung, ich will was erreichen«, sagt die 33-Jährige, die in der Zentralen Notaufnahme der Kölner Uniklinik arbeitet. Erstmals nahm sie im Februar 2022 an einem Aktiventreffen teil, ein Kollege hatte sie angesprochen. »Da konnte ich mir noch nicht vorstellen, was für ein Riesen-Ding das wird.« Motiviert haben Rosa Hense besonders die Erzählungen von Kolleg*innen der Berliner Krankenhäuser von Vivantes und Charité, die im vergangenen Jahr nach wochenlangen Streiks einen Entlastungsvertrag erkämpft haben. »Als ich das hörte, dachte ich: Wie cool wäre es, wenn wir das auch machen würden?«, blickt die Krankenpflegerin zurück. Und genau daran arbeiten sie und ihre Kolleg*innen seither.
Mobilisierung: Mit einer Petition fing alles an
Sie begannen mit einer Petition. Wochenlang sammelten die Aktiven Unterschriften, mit denen sich Beschäftigte für einen Tarifvertrag Entlastung aussprachen – nicht nur in Köln, sondern auch an den Unikliniken in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen und Münster. Rund 12.000 Beschäftigte stellten sich hinter die Tarifforderung und bekräftigten so ein Ultimatum, das ver.di am 21. Januar gestellt hatte: Entweder bringen Klinikleitungen und Landesregierung binnen 100 Tagen einen Tarifvertrag Entlastung für die sechs Unikliniken in NRW auf den Weg – oder es wird gestreikt. Vorbereitet hatten die Kampagne aktive Kolleginnen und Kollegen, von denen sich viele im Bildungsurlaub mit den Zielen und Methoden der Entlastungsbewegung auseinander gesetzt hatten.
Nach der Petition folgten »Forderungsinterviews«: Alle Beschäftigten sollten danach gefragt werden, welche Personalbesetzung sie in ihrem Bereich für notwendig halten – und wozu sie bereit sind, um die Forderung durchzusetzen. »Eine Kollegin und ich haben in unserem Team Interviews mit Kolleg:innen geführt – ein Großteil ist eingetreten«, berichtet Rosa Hense. »Das ist der Schlüssel: Die Menschen müssen sehen, dass sie Teil der Bewegung sind, dass sie selbst mitbestimmen, was ver.di fordert und durchsetzt.«
Notruf Entlastung NRW: Unsere Forderung ist realistisch und berechtigt!
Auf Grundlage der Interviews entwickelte das Team eine Position, die von den Delegierten in die Diskussionen mit Kolleg*innen aus den Notaufnahmen aller sechs Unikliniken eingebracht wurde. »Das waren sehr viele Online-Treffen und Gespräche, am Ende stand eine gemeinsame Forderung für alle Notaufnahmen«, erklärt die Krankenpflegerin. »Unsere Forderungen sind absolut realistisch«, betont sie. »Letztlich fordern wir nur das ein, was von den Fachgesellschaften empfohlen wird und was wir dringend brauchen.«
Ihr ist es wichtig, dass die Notaufnahmen ein gutes Standing in der Entlastungsbewegung haben. Denn nur Bereiche, die sich organisieren und aktiv werden, können etwas erreichen. Das zeigte sich auch in der Auseinandersetzung um die Notdienstvereinbarung. »Wir sind organisiert und streikbereit – das konnte die Klinikleitung einfach nicht ignorieren.« In den Notdienstverhandlungen akzeptierte sie, dass die zehn stationären Betten im Streik komplett geschlossen werden und die Notaufnahme beim Rettungsdienst abgemeldet wird. Schwerverletzte, die anderswo nicht gut versorgt werden können, werden selbstverständlich trotzdem behandelt. Rosa Hense und ihre Kolleg:innen fuhren zu den Rettungswachen und den Notaufnahmen der anderen Krankenhäuser, um den Beschäftigten dort zu erklären, warum sie streiken. Obwohl der Streik für diese Kolleg:innen noch mehr Stress bedeutet, war die Resonanz durchweg positiv.
Gut organisiert und streikbereit!
Die Klinikleitungen hingegen setzen weiterhin auf Konfrontation. Sie haben alles versucht, den Streik zu brechen – von juristischen Winkelzügen bis hin zu dem Versuch, durch einen Deal mit dem Beamtenbund einen Entlastungstarifvertrag mit ver.di zu verhindern. Alles scheiterte. Und auch nach acht Wochen bröckelt der Arbeitskampf nicht. Rosa Hense erklärt das mit der engen Einbindung der Kolleginnen und Kollegen. »Als Teamdelegierte halten wir die Leute immer auf dem Laufenden. Alle Neuigkeiten werden in der Chatgruppe gepostet, alle Fragen im Team diskutiert. Transparenz ist das A und O.« Das Team sei in der Auseinandersetzung noch stärker zusammengewachsen. »Es ist einfach schön, zu sehen, wie sich die Kollegen engagieren, wie wir gemeinsam stark sind.«
Überall sind die Leute am Limit. Wir halten zusammen.
Auch über die Abteilungen hinweg ist das Klinikum zusammengerückt. »Bei den Aktiventreffen habe ich Kollegen aus vielen Bereichen kennengelernt und gemerkt: ob im Service, im Labor, in der Küche oder anderswo – überall arbeiten die Leute am Limit«, sagt Rosa Hense. »Man bekommt viel mehr Einblicke und sieht, dass das Krankenhaus nur mit Teamarbeit funktioniert.« Deshalb ist es der Krankenpflegerin so wichtig, im Tarifvertrag Regelungen für alle Beschäftigtengruppen zu treffen. »Wir halten zusammen und das ist ein tolles Gefühl. Wir sind nicht ein paar Leute, die etwas fordern. Wir sind stark und setzen uns gemeinsam durch. Wir sind die Mehrheit.«
Du arbeitest bei einer Uniklinik in NRW und möchtest dich auch für Entlastung engagieren? Mehr Info findest du unter Notruf NRW!
Weshalb Notaufnahmen dringend Entlastung brauchen? – Hier geht es zum Protokoll einer Schicht, in der zum Glück niemand gestorben ist.