Wenn die Pflege am Menschen zu kurz kommt: Über die Arbeit in der Altenpflege

Im stationären Einrichtungen werden pflegebedürftige Menschen dauerhaft untergebracht, gepflegt und entsprechend ihrer Bedürfnisse betreut. Die Pflege nimmt Zeit in Anspruch und kann sowohl körperlich als auch emotional sehr belastend sein. Pflegefachkraft Matthias Beckmann gibt uns einen Einblick in seinen Alltag.

ver.di: Stell dich bitte kurz vor und beschreibe deine Tätigkeit. 

Matthias: „Mein Name ist Matthias Beckmann, ich bin Pflegefachkraft und Personalrat bei den Altenheimen der Stadt Wuppertal in einem geschützten Dementenbereich. Dort pflege ich demenzkranke Bewohner*innen im Früh- oder Spätdienst, dabei sorge ich auch für die medizinische Versorgung. Ich begleite die Bewohner*innen durch den Tag und durchlebe mit ihnen den täglichen Prozess des Vergessens. Als gerontopsychiatrische Fachkraft bin ich sowohl für die Körperpflege als auch für die soziale Struktur verantwortlich.“

ver.di: Was sind die schönsten Momente in deinem Arbeitsalltag?  

Matthias: „Wenn ich meinen Arbeitstag mit dem Gefühl beenden kann, trotz aller Bürokratie auch für die Bewohner*innen dagewesen zu sein.“

ver.di: Warum ist dir deine Arbeit im öffentlichen Dienst wichtig?

Matthias: „Ganz grundsätzlich: Ich habe einen sicheren Arbeitsplatz, einen guten Tarifvertrag und durch die Zusatzversorgungskasse erhalte ich zusätzlich zur gesetzlichen Rentenversicherung eine betriebliche Altersvorsorge. Ich habe mich vor 25 Jahren entschlossen, den Pflegeberuf auszuüben. Ältere Menschen auf dem letzten, oft schweren Lebensweg bis hin zum Tod zu begleiten, faszinierte mich damals wie heute, trotz all der politischen Hindernisse, die uns jeden Tag zwischen die Beine geworfen werden.“

„Die vergangene Tarifrunde hat gezeigt, dass es sich lohnt laut zu sein, sich unbeliebt zu machen!“

ver.di: Wo siehst du die größten Herausforderungen bei deiner Arbeit? Was erschwert deine Arbeit?  

Matthias: „Die massive Bürokratie in der Pflege erschwert die Arbeit, wodurch nur ca. 50% meiner Arbeit insgesamt an den Bewohner*innen stattfindet. Der Leistungsdruck bei Kontrollen ist hoch. Die Führungskräfte geben den Druck an die Pflegekräfte weiter und sie haben kein Verständnis für unsere Ablehnung von Überstunden. Auch die Wichtigkeit der Digitalisierung wird nur sehr verlangsamt wahrgenommen, hinzu kommt, dass viele Mitarbeitende große Angst davor haben.“

ver.di: Wie ist die Stimmung bei dir und deinen Kolleg*innen?  

Matthias: „Die Stimmung ist angespannt, aufgrund der engen Personaldecke und dem Druck durch den Betrieb auf die Mitarbeitenden. Viele Kolleg*innen flüchten sich ins „Krank“ oder verlassen den Betrieb und die Pflege.“

Mindestens 300.000 Vollzeit-Pflegekräfte stünden in Deutschland durch Rückkehr in den Beruf oder Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung – sofern sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern. 

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, Studie: „Ich pflege wieder, wenn…“

ver.di: Wie hast du die vergangenen Tarifrunden erlebt und wie blickst du auf die kommende?

Matthias: „Die vergangene Tarifrunde hat gezeigt, dass es sich lohnt, laut zu sein, sich unbeliebt zu machen. Wir hatten in unserem Betrieb eine hohe Akzeptanz und Unterstützung. Für die nächste Tarifrunde wünsche ich mir, dass Kolleg*innen wieder mit auf die Straße gehen, auch wenn sie sich bei den Führungskräften dadurch unbeliebt machen.“

ver.di: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir für deine Arbeit wünschen? 

Matthias: „Ich würde mir modernere Arbeitsplätze und eine gute Digitalisierung wünschen. Und natürlich: Eine ehrliche, offene Kommunikation mit der Führungsebene. Die Arbeitsbedingungen müssen sich aber auch insgesamt verbessern, wenn wir die Kolleg*innen halten wollen. Das werden wir in der kommenden Tarifrunde deutlich machen!“ 

Es braucht bessere Arbeitsbedingungen für diese Altenpflege. Packen wir es gemeinsam an: Werde aktiv in der aktuellen Tarifrunde für den öffentlichen Dienst Bund und Kommunen.

EVAG-Beschäftigte Robert und Tommy

In den vergangenen Monaten haben die Kolleg*innen, die uns landauf, landab im ÖPNV sicher ans Ziel bringen, viel erreicht: In den Tarifauseinandersetzungen für den Nahverkehr konnten bessere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden. Auch in Thüringen: Dort konnten die Beschäftigten der Erfurter Verkehrsbetriebe AG (EVAG) bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen, darunter mehr Geld, die Möglichkeit, Lohn gegen zusätzliche Entlastungstage zu tauschen sowie mehr freie Tage für Schicht- und Wechselschichtdienste.

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Daniel Wenk engagiert sich für die Abschaffung des sogenannten Dritten Wegs, des Sonderwegs der Kirchen in Sachen Arbeitsrecht, und hat in Baden die Beschäftigten-Bewegung bei den christlichen Arbeitgebern auf den Weg gebracht. Ein Interview.

Foto: František Matouš

ver.di: Als Beschäftigter und Interessenvertreter bei der Diakonie hast du in deiner Biographie selbst immer wieder die Grenzen der Mitbestimmung erfahren und erlebt, wie sich die Arbeitgeber gegen mehr Mitbestimmung wehren. Wie bist du zur Diakonie gekommen?

Daniel: Zur Diakonie bin ich über den Zivildienst gekommen. Ich bin gelernter Schreiner und habe nach der Ausbildung noch zwei Jahre regulär als Geselle gearbeitet. Dann hätte ich zur Bundeswehr gemusst, habe aber als einer der ersten hier bei uns den Kriegsdienst verweigert.

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Das Bild zeigt Bernd Becker, vere.di Landesfachbereichsleiter im Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft im ver.di Landesbezirk Sachsen/ Sachsen-Anhalt/ Thüringen
Bernd Becker, Landesfachbereichsleiter im Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft im ver.di Landesbezirk Sachsen/ Sachsen-Anhalt/ Thüringen, hat die Verhandlungen mit den Arbeitgebern der Waldkliniken Eisenberg geführt.

Bernd Becker, Fachbereichsleiter im Landesbezirk Sachsen / Sachsen-Anhalt und Thüringen, hat zusammen mit den Beschäftigten und dem Geschäftsführer der Waldkliniken Eisenberg David-Ruben Thies einen wegweisenden Tarifvertrag erarbeitet.

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Katharina ist verbeamtete Sachbearbeiterin im Jobcenter. Klar: Sie darf nicht streiken. Dennoch unterstützt sie die Forderungen in der laufenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst – unter anderem mit diesem Interview. Denn die Arbeitsbedingungen sind hart, Überstunden an der Tagesordnung und manche ihrer Kolleg*innen im öffentlichen Dienst verdienen so wenig, dass sie selbst Bürgergeld beantragen müssen. Kein Wunder, dass der viele nach kurzer Zeit wieder kündigen. Das muss sich ändern, sagt Katharina.

ver.di: Liebe Katharina, wer bist du und was machst du?

Katharina: Ich bin Katharina-Sophia Gerking, 38 Jahre alt, und arbeite als Sachbearbeiterin im Leistungsservice im Jobcenter Hannover. Außerdem bin ich stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und wahrscheinlich in 6000 anderen Vereinen unterwegs, was aber heute hier keine Rolle spielt (lacht).

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Foto: Kay Herschelmann

Ich arbeite beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Donau MDK (Main-Donau-Kanal). Wir sind mit 700 Beschäftigten für den Betrieb und den Unterhalt von 380 Kilometern Bundeswasserstraßen zuständig. Unser Gebiet umfasst die Donau ab Jochenstein, an der österreichischen Grenze, aufwärts bis Kelheim und die daran anschließende künstliche Wasserstraße, den 1992 eröffneten Main-Donau-Kanal, bis Bamberg. 

Neben Betrieb und Unterhaltung haben wir auch strom- und schifffahrtspolizeiliche Aufgaben. Wir kümmern uns um riesige ökologische Ausgleichsflächen sowie den sicheren und reibungslosen Verkehrsablauf auf einer teils freifließenden, teils staugeregelten und künstlichen Wasserstraße. Die sollte übrigens als sehr ökologischer Verkehrsträger viel mehr Bedeutung haben. 

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aufgeschrieben von Maren Skambraks

Malayn Saremski, 33 Jahre alt, ist seit 10 Jahren Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin auf der Intensivstation für Früh- und Neugeborene an der Berliner Charité.

„Angesichts der enorm hohen Inflation merke ich, dass am Monatsende immer weniger Geld übrigbleibt. Steigende Gas- und Lebensmittelpreise hinterlassen ihre Spuren. Unsere Tarifforderung von 10,5 Prozent mehr, mindestens aber 500 Euro, ist daher auf gar keinen Fall zu hoch. Es ist jetzt endlich an der Zeit, die Gehälter in den Krankenhäusern nach oben zu korrigieren. Schon zur Hochzeit der Pandemie hieß es gerade auch von der Politik immer wieder, dass das Pflegepersonal für diesen verantwortungsvollen Beruf zu wenig verdient. Geändert hat sich daran bisher allerdings nichts.

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Serdal und einige seine Mitstreiter*innen: Sie sind Teil des ersten Betriebsrats im Amazon-Verteilzentrum Wunstorf

ver.di: Hallo Serdal, herzlich willkommen. Wer bist du? 

Serdal: Ich heiße Serdal Sardas und bin 32 Jahre alt. Seit 2019 arbeite ich bei Amazon im Verteilzentrum Wunstorf. Bis vor Kurzem war ich „Operation Supervisor“ bzw. Teamleiter, seit einem Jahr in der Frühschicht und dort war ich verantwortlich für die „Touren“. Das bedeutet: Wir sorgen dafür, dass die Pakete, die die Zusteller*innen im Lauf des Vormittags abholen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Abholung bereit liegen. Ich habe die Personaleinsatzplanung gemacht und war außerdem verantwortlich für die Arbeitssicherheit. Davor habe ich zwei Jahre in der Nachtschicht gearbeitet. Im Moment sind wir bei uns im Zentrum um die 200 Beschäftigte, saisonal sind es mehr. 

Mittleierweile bin ich freigestellter Betriebsratsvorsitzender des ersten Betriebsrats in einem Amazon-Verteilzentrum in Deutschland, vielleicht in Europa (laut der PR von Amazon gibt es bereits in Italien einen Betriebsrat in einem Verteilzentrum).

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von Daniel Behruzi

Stärke durch Organisation!

Die nicht-ärztlichen Beschäftigten der Kölner Uniklinik haben sich erfolgreich mit ver.di organisiert und gestreikt. Die Krankenpflegerin Rosa Hense berichtet, wie die Aktiven das geschafft haben.

 Rosa Hense , Gesundheits- und Krankenpflegerin am Uniklinikum Köln. 
Foto: Daniel Behruzi
Rosa Hense, Gesundheits- und Krankenpflegerin am Uniklinikum Köln.
Foto: Daniel Behruzi
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Alle Fotos Kay Herschelmann

Aydan, Hansi, Angela und Anika begleiten als ehrenamtliche Mitglieder – zusammen mit weiteren gewählten Kolleg*innen – in der Verhandlungskommission die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst – live vor Ort, um die Interessen „ihrer“ Berufe zu vertreten.

Auch in dieser separaten Runde für die Sozial- und Erziehungsdienste, in der es nicht um Gehalt, sondern um Entlastung und Aufwertung ging, waren sie ganz nah an den Verhandlungen dran. Hier geben sie ihre persönliche Einordnung des aktuell erreichten Tarifabschlusses. Aber auch unsere aktiven Mitglieder in der Fläche, die in der Tarifrunde gestreikt haben, haben wir nach ihrer Meinung zum Tarifergebnis befragt.

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