EVAG-Beschäftigte Robert und Tommy

In den vergangenen Monaten haben die Kolleg*innen, die uns landauf, landab im ÖPNV sicher ans Ziel bringen, viel erreicht: In den Tarifauseinandersetzungen für den Nahverkehr konnten bessere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden. Auch in Thüringen: Dort konnten die Beschäftigten der Erfurter Verkehrsbetriebe AG (EVAG) bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen, darunter mehr Geld, die Möglichkeit, Lohn gegen zusätzliche Entlastungstage zu tauschen sowie mehr freie Tage für Schicht- und Wechselschichtdienste.

Starke Zusammenarbeit und offener Austausch

Mittendrin im Tarifkampf: Robert Rösner, 36, und Tommy Matuszewski, 42. Sie berichten, was für sie in der Tarifauseinandersetzung entscheidend war und wie sie weiter kämpfen für attraktive Arbeit im Nahverkehr. Robert ist seit 2010 bei der EVAG, hat dort eine Lehre absolviert, ist seit 2018 im Betriebsrat und seit 2020 Mitglied in der regionalen Tarifkommission. Für ihn ist der entscheidende Schlüssel zum Tariferfolg ein offener Umgang mit Informationen und Verhandlungsständen. Bei der EVAG haben sie in diesem Jahr eine WhatsApp-Gruppe eröffnet, in die alle relevanten Infos eingestellt wurden. Diese dienten dann als Grundlage für persönliche Gespräche und offene Diskussionen im Streikcafé der Kolleg*innen.

Tommy ist seit 2015 Straßenbahnfahrer in Erfurt. Er kommt aus dem Einzelhandel und hat einen Quereinstieg gewagt. Auch weil er sich intensiv mit der ökologischen Bedeutung des Nahverkehrs auseinandergesetzt hat und als „grüner Typ“, wie ihn seine Kolleg*innen gerne bezeichnen, einen Beitrag leisten will, den kollektiven CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Tommy war in dieser Tarifauseinandersetzung erstmals für ver.di mit dabei: „Mir war klar, wenn ich einen guten Abschluss durchsetzen will, muss ich selber aktiv werden – Und dann ging es los!“

Bündnisarbeit

Bündnis mit Fridays for Future

Die Zusammenarbeit mit den Menschen von Fridays for Future empfindet er als stimmig. Sie stärkt die Tarifbewegung, mit der die Bedingungen verbessert werden sollen. Und bessere Arbeitsbedingungen bzw ausreichend Beschäftigte im ÖPNV sind Grundvoraussetzung für eine Verkehrswende: „ÖPNV und Klimaschutz, das ist eine Symbiose.“ Deswegen haben auch die Kolleg*innen von den Erfurter Verkehrsbetrieben gesagt „Wir fahren zusammen!

Akribisch wurde die Tarifrunde schon im vergangenen Jahr vorbereitet und auch die Vertreter*innen von den „Fridays“ kennengelernt: Junge Leute, viele Studierende, denen sie aus der Praxis berichten konnten, wie belastend die Arbeit im Nahverkehr ist. Tommy erzählt, wie er eine Straßenbahnfahrt der Linie 6 simuliert hat, um zu zeigen, was es für einen Schock auslösen kann, wenn er eine Vollbremsung machen muss und dass es eben wichtig ist, im Anschluss eine kurze Pause zu haben, um Kraft zu sammeln. Der direkte Erfahrungsaustausch schafft Verständnis und Respekt. „Bubbles“ lernen voneinander, werden durchlässig. Jung lernt von Alt und umgekehrt.

Gemeinsame Aktionen und Streiks

Auch Kolleg*innen, die Zweifel an der Bündnisarbeit haben, können Robert und Tommy praktische Beispiele entgegenhalten. Klar, der Bus vom Erfurter Hauptbahnhof zum Steinplatz verbraucht mit all seinen Baustellen mehr Sprit als ein Auto. Aber was ist, wenn 150 Menschen im Bus sitzen und dafür ihr Auto zuhause lassen? Dann siegt der Klimaschutz! So füllen sie das Bündnis mit Leben und planen ihre gemeinsamen Aktionen: Nachdem die Forderungen aufgestellt und erste Verhandlungstermine absolviert sind, kommt es zum Streik. Drei große Streiktage führten schließlich zum Erfolg.

ÖPNV-Beschäftigte streiken in Erfurt im Frühjahr 2024.

Engagement und Solidarität

Das Streikcafe, das die EVAG-Kolleg*innen beim ver.di-Bezirk eröffnen, ist der zentrale Ort, an dem dieser Erfolg organisiert wird. Hier findet der direkte Austausch statt, werden gemeinsam Pläne geschmiedet und alle sind eingeladen, miteinander zu diskutieren, was es für den Erfolg braucht. Auch Nicht-Mitglieder werden mitgenommen und viele entscheiden sich nach der positiven Erfahrung dafür, ver.di-Mitglied zu werden.

Streik-Veranstaltung der EVAG in Erfurt.

Politik und Öffentlichkeit einbezogen

An den Streiktagen bewegt sich nichts mehr in Erfurt und beim landesweiten Streiktag in ganz Thüringen. Die Kolleg*innen demonstrieren und zeigen der Politik, die für gute ÖPNV-Angebote verantwortlich ist, dass es ihnen reicht. Robert beschreibt, wie zufrieden das Wissen macht, nicht allein zu sein, gemeinsam auf die Straße zu gehen und um die Solidarität der Fahrgäste zu werben. Der ÖPNV in Erfurt ist beliebt. Damit die Fahrgäste verstehen, warum der Nahverkehr so wichtig ist, muss eine Verbindung hergestellt werden. Es geht um „ihre Bimmel“, „ihren Nahverkehr“ und darum, was er ihnen wert ist. Dieser Nahverkehr samt Beschäftigten, die  Straßenbahnen und Busse fahren und sich dafür täglich großen Risiken, wie Unfällen oder Übergriffen, aussetzen.

Schlüssel zum Erfolg: Beteiligung, Bündnisarbeit und Expertise

Das Gemeinsame ist der Schlüssel zum Erfolg, die Beteiligung der Beschäftigten, der Brückenschlag in die Politik und zu den Klimaschützer*innen. Das Gefühl, dass sich etwas bewegt und gehört zu werden, bleibt auch nach dem Tarifergebnis: Denn damit wurde nur eine Stellschraube justiert. Die EVAG-Beschäftigten bringen ihre praktische Erfahrung jetzt in die Politik ein, um den ÖPNV zu verbessern. Sie wissen genau, was dafür nötig ist, denn sie erleben die Herausforderungen jeden Tag selbst. Zum Beispiel brauchen wir neue Bus- und Straßenbahnlinien, aber dafür braucht es auch mehr Fahrer*innen. Und die gibt es nur, wenn die Arbeitsbedingungen stimmen. So halten die Beschäftigten ihr Thema auch im Kommunalwahlkampf am Kochen. Sie berichten auch, was es für Folgen hätte, wenn zum Beispiel die AfD-Forderung, wonach sich staatliche Unternehmen zu 50 Prozent selbst tragen müssten, umgesetzt würde: Die Preise für die Fahrgäste würden explodieren, die Verkehrswende nach hinten losgehen.

Tommy Matuszewski, Straßenbahnfahrer, Erfurter Verkehrsbetriebe AG

Es ist gelungen, das Thema Nahverkehr mit der Sicht der Beschäftigten und ihrer Expertise auch medial zu platzieren: Die Kandidat*innen für die Rathäuser müssen sich dazu verhalten. Auch die Bürger*innen sollen stärker dafür sensibilisiert werden, worum es den Beschäftigten in den Kämpfen geht und ging. So haben EVAG-Beschäftigte einen Flyer erstellt, der die belastenden Bedingungen ihrer Arbeit darstellt und zeigt, dass es ihnen um mehr als Geld geht. Denn die Medien griffen fast ausschließlich immer nur dieses Argument auf. Ein solcher Flyer sollte in den Kampagnen-Werkzeugkoffer für die nächste bundesweite Tarifkampagne im Nahverkehr, findet Robert. Denn die nächste Tarifrunde steht quasi schon vor der Tür und sie will sorgfältig vorbereitet sein. Tommy formuliert das nächste Etappenziel so:

„Jetzt müssen wir noch den Arbeitgeber mit ins Boot holen und dann gemeinsam weiter rudern für einen starken Nahverkehr!“

Tommy Matuszewski, Straßenbahnfahrer, Erfurter Verkehrsbetriebe AG

Noch herrscht Arbeitskräftemangel im Betrieb. Der Personalbestand ist auf Kante genäht und jede Krankheitswelle führt zu Ausfällen sowie Verzögerungen. Auch dagegen wollen sie gemeinsam vorgehen, regional daran arbeiten, im bundesweiten Bündnis für eine sozial-ökologische Klimawende voranzukommen, sich mit den Kolleg*innen aus dem Handel austauschen, die ebenfalls Erfahrungen im Tarifkampf gesammelt haben. In ver.di kämpfen sie gemeinsam.

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