von Cornelia Berger, Leiterin Kommunikation in der ver.di Bundesverwaltung

Die Corona-Pandemie als Zäsur

Klar, die meisten von uns wissen noch, was sie am 11. September 2001 gemacht haben, als die Hoffnung in Rauch aufging, dass nach dem kalten Krieg eine demokratische und stabile Weltordnung entstehen würde. Ganz viele wissen auch immer noch, was sie am 9. November 1989 gemacht haben, als in Berlin die Mauer fiel. Mein Leben als westdeutsche Abiturientin hat das nicht weiter tangiert und das ist wahrscheinlich der große Unterschied zwischen den Zäsuren, die unser politisches Leben in den vergangenen Jahrzehnten geprägt haben: Von Corona waren in diesem Höllenexemplar von 2020 alle tangiert, das Kindergartenkind ebenso wie der 84-jährige Vater.

Arbeit hat sich grundlegend verändert in diesem Jahr, ist flexibler, digitaler geworden, wer hätte sich das im Dezember 2019 vorstellen können? Soloselbstständige kämpfen ums wirtschaftliche Überleben, Kolleginnen und Kollegen sind in Kurzarbeit und bangen um ihre Jobs, während andere rund um die Uhr schuften, um uns mit dem Notwendigen zu versorgen.

Unsere Sehnsucht nach Nähe

Wir leben jetzt in einer anderen Normalität, einer Normalität, in der Abstand halten und Hygieneregeln das Gebot der Stunde und Ausdruck von Fürsorge und Respekt sind. Wir stecken mitten im zweiten Shutdown und wissen nicht, was das Jahr 2021 uns bringt. Wir wünschen von Herzen: Bleib gesund! Viele von uns sind erschöpft und verunsichert, wir sehnen uns nach Umarmungen, nach Unbeschwertheit, nach Reisen und vor allem nach dem, was wir als Normalität kannten vor der Corona-Pandemie. 

Neue Normalität: Chance auf eine bessere Gegenwart?

Diese Pandemie, sie hat uns die Schwächen unserer Normalität vor Augen geführt: Ein unterfinanziertes Gesundheitssystem, eine neoliberale Weltordnung, in der kollektive und soziale Probleme individualisiert und mit Preisschildern versehen sind, wer Glück hat, kann zahlen, was an Summen aufgerufen wird, um durchs Leben zu kommen, alle anderen haben halt Pech gehabt, bleiben auf der Strecke. Ist das die Normalität, nach der „wir“ uns zurücksehnen? Oder ist dieser Blick durchs Brennglas nicht vielmehr die Chance, diese Normalität zu verändern, etwas Besseres daraus zu machen? Einen Sozialstaat, in dem starke Schultern mehr Lasten tragen als schwache. Ein Land, in dem Dienstleistungen für Menschen und soziale Arbeit mehr zählen als die Kurse von Bullen und Bären?

Held*innen 2020: Menschen, die mit ihrer Arbeit Leben retten

Es war wohltuend, als wir im Frühjahr gemeinsam gespürt haben, wie wichtig Solidarität in einer Gesellschaft ist, es war wichtig, auf einmal zu erkennen, dass systemrelevant nicht Geldhäuser sondern Menschen sind, die mit ihrer Arbeit Leben retten und unseren gesellschaftlichen Laden am Laufen halten. Diese Menschen wurden beklatscht und gefeiert, sie sind unsere Heldinnen und Helden. Ich werde das nicht vergessen und wünsche mir für das kommende Jahr, dass wir in Erinnerung behalten, was wirklich wichtig ist in unserem Leben und dass wir bereit sind, für eine solidarischere Gesellschaft einzustehen und zu kämpfen.

Das neue Jahr 2021 als Chance

Ich wünsche mir, dass wir solidarisch handeln und freundlich und geduldig miteinander umgehen, jeden Tag. Ich wünsche mir, dass Hass, Rassismus und Diskriminierung keinen Platz haben in unserem Miteinander und dass wir aus den existenziellen Lehren dieses Jahres eine bessere Normalität schaffen als die alte – dann war die Pandemie, dieses Jahr 2020 zumindest für etwas gut. 

Cornelia Berger, Leiterin Kommunikation in ver.di, schreibt in unregelmäßigen Abständen auf diesem Blog darüber, was die Gewerkschaft bewegt. 

Sie studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Staatsrecht und arbeitete als Journalistin. Seit 2001 ist sie bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) als Pressesprecherin des Bundesvorstands, Geschäftsführerin der dju in ver.di und Bereichsleiterin Medien in der ver.di-Bundesverwaltung. 

Seit Oktober 2020 leitet sie den Bereich Kommunikation.

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