Christiane Lehmann: Hallo Vanessa, du bist ver.di-Tarifbotschafterin in der aktuellen Tarifrunde im öffentlichen Dienst. Bevor du uns erzählst, was du in dieser Rolle genau machst und wie man „TaBo“ wird, erzähl uns doch kurz, wer du bist und was du machst.
Vanessa Gropp: ich bin Vanessa, 20 Jahre alt und komme aus dem Kreis Hohenlohe. Ich mache eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und hatte gestern meine letzten Prüfungen. Seit heute bin ich examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin am Krankenhaus Hohenlohe.
Christiane Lehmann: Juhu, das ist ja toll!! Herzlichen Glückwunsch! Auf welcher Station fängst du denn an?
„Die Ambulanz ist einer der spannendsten Orte im Krankenhaus“
Vanessa Gropp: In der Ambulanz. Dort fand ich es auch schon während der Ausbildung am spannnendsten. Für mich ist es einer der wichtigsten Orte im Krankenhaus: Wir sind die, die den ersten Kontakt zum Patienten haben. Wir sind zwar nicht spezialisiert, dafür haben wir aber auch mit allen Fachbereichen zu tun.
Christiane Lehmann: Du hast den letzten Teil deiner Ausbildung ja in einer nicht ganz einfachen Zeit absolviert …
Vanessa Gropp: Ja das stimmt. Als es losging, hatte ich Urlaub. Es kam so plötzlich. Ich weiß noch, wie ich am ersten Tag aus Gewohnheit ohne Mundschutz das Haus betrat und erst mal angehalten wurde. Aber ich muss sagen: Auf Station haben wir in der Zeit gut zusammengehalten. Es war vielleicht besser denn je. Es gab in der Akut-Phase auf einmal keine Unterschiede mehr zwischen Examinierten und Azubis. Später hat es sich dann wieder normalisiert (lacht).
Die Arbeitsabläufe wurden natürlich total verändert. Das gesamte Haus musste umstrukturiert werden. Hauptbereiche wie die OP wurden runterreduziert, Stationen wurden gesperrt, dafür musste eine Corona-Station aufgebaut werden. Eine Isolierstation hatten wir vorher nicht. Es kam dann auch zu Krankheitsfällen im Personal, jede*r Pfleger*in, der oder die Symptome hatte, musste in Quarantäne. Der Personalmangel war also noch größer als sonst.
„Ich war schon als Jugendauszubildendenvertretung im Betrieb sichtbar“
Christiane Lehmann: Du bist in der Jugendauszubildendenvertretung (JAV). Was war der Auslöser, dich betrieblich zu engagieren?
Vanessa Gropp: Das war 2019, zu Beginn des zweiten Ausbildungsjahres. Unser Krankenhaus wurde mit einem anderen Haus zusammengelegt. Es hat sich viel verändert; jede*r musste sich fragen: Ziehe ich mit in das andere Haus oder nicht?
Zu der Zeit kam viel Unmut auf – auch unter den Auszubildenden. Es ging um Umstrukturierungen, Umschulungen und die schwierige Zeit der Umzugsphase.
In diese Phase fielen die JAV-Wahlen. Mein Klassenlehrer kam auf mich zu und hat gefragt, ob ich mich nicht aufstellen lassen wollte. Die Schule ist für beide Krankenhäuser zuständig, deswegen wusste er, dass es gerade viele Probleme gab. Ich fand das sinnvoll, habe mich aufstellen lassen und wurde gewählt. So ähnlich lief es vorher mit der Klassensprecherwahl: Irgendwie bin ich – da allerdings ganz ohne Wahl – von selbst in diese Rolle hineingerutscht (lacht).
Obwohl man sich am Anfang erst daran gewöhnen musste, bin ich insgesamt aber ganz gut durch diese erste Zeit gekommen, muss ich im Nachhinein sagen.
Christiane Lehmann: Durch die JAV bist du im Krankenhaus wahrscheinlich schon sichtbar geworden bei deinen Kolleg*innen …
Vanessa Gropp: Als Jugendauszubildendenvertretung wird man schon öfter sichtbar. Ich bin ja die erste Ansprechpartnerin für alle Auszubildenden und Schüler, wenn die nicht selbst mit ihren Vorgesetzten oder den Lehrern oder dem Betriebsrat reden möchten. Es kam zum Beispiel mal eine ganze Gruppe, die sich auf der Station ungerecht behandelt fühlte. Da geht dann darum, das Problem beim Betriebsrat vorzustellen oder dass man die Stationsleitung hinzuzieht und das Problem gemeinsam klärt – und das hat in dem Fall auch geklappt.
Ich bin gut informiert, was so anliegt: Ich treffe mich regelmäßig, so einmal im Monat, mit den Kurssprechern aus jedem Ausbildungsjahr und frage nach, was so die Problematiken sind. Außerdem bin in den Betriebsratssitzungen dabei.
Seit dem ersten Auszubildendenjahr in ver.di
Christiane Lehmann: Dann bist du auch über die JAV zu ver.di gekommen?
Vanessa Gropp: Nein, in ver.di war ich schon vorher. Im Herbst 2017, gleich zu Beginn der Ausbildung, hat sich ver.di bei uns in der Schule vorgestellt. Zu der Zeit gab es in Düsseldorf gerade eine ver.di-Aktion für mehr Personal und allgemein bessere Rahmenbedingungen in der Pflege, so eine Konfrontation mit dem Spahn. Die ver.di-Leute haben Schüler und Schülerinnen gesucht, die Lust haben mitzumachen. Ich dachte: Das kann ich mir ja mal anschauen. Wir sind dann alle zusammen hingefahren. Mir hat das gefallen. Ich fand es gut, dass man sich wehrt. Nur meckern bringt nichts, man muss auch was dafür tun. Ich habe bei der Aktion mitgemacht und bin dann auch Mitglied geworden.
Tarifbotschafterin für ver.di in der Tarifrunde 2020
Christiane Lehmann: Jetzt hast du dich entschlossen, dich als Tarifbotschafterin für die Tarifrunde 2020 in deinem Krankenhaus zu engagieren. Das heißt, dass du unter den Kolleg*innen für die Forderungen der Gewerkschaft in der aktuellen Tarifrunde wirbst. Wie fühlt sich die neue Rolle erst mal an?
Vanessa Gropp: Ich hatte schon etwas Respekt davor. Vor allem hatte ich Angst, dass ich nicht genug Wissen habe – gerade was unsere Tarifverträge angeht. Das Vertragswerk ist komplex und damit hatte ich vorher nicht viel zu tun.
Christiane Lehmann: Aber diese Angst war unnötig, hoffe ich …
Vanessa Gropp: Ja, ver.di steht uns gut zur Seite. Wenn ich Fragen habe, kriege ich schnell Antworten.
Christiane Lehmann: Wie genau erhältst du deine Antworten?
Vanessa Gropp: Es gibt verschiedene Wege: Über die JAV haben wir Kontakte zu ver.di und wir werden auch richtig gut angeleitet. Im Betriebsrat sind ja auch viele bei ver.di – ihnen kann ich meine Fragen direkt stellen. Ich habe den Telegramkanal abonniert und erhalte alle News zur Tarifrunde direkt auf mein Handy. Außerdem gibt es Online-Konferenzen extra für uns Tarifbotschafter mit der Verhandlungskommission. Dort wird uns zum Beispiel erklärt, wo die Verhandlungen stehen oder wie die Verhandlungsführer die Position der Arbeitgeber einordnen.
Christiane Lehmann: Das freut mich sehr zu hören, dass das so gut funktioniert. Aber wie ist das für dich, auf Kolleg*innen zuzugehen und Gespräche über die Tarifrunde, über Gewerkschaft zu initiieren? Ist das nicht manchmal schwierig?
Vanessa Gropp: Nein, das fällt mir eigentlich nicht schwer und das passiert auch ganz von selbst. Oft ist das in den Pausen, wenn man sowieso zusammensteht und über Arbeit spricht. Oft muss ich gar nichts machen (lacht). Wenn die Leute sich beschweren, über den Dienstplan zum Beispiel, dann frage ich, was sie dagegen machen. Ich habe gemerkt, dass die Corona-Zeit ein ganz guter Einstieg ist. Es ist ein sehr emotionales Thema, das die Kolleg*innen bewegt. Viele macht es wütend, dass es trotz unserer Leistung keine Sonderzahlung gibt. Da sprechen dann auch mal Leute, die sonst nicht viel reden. Das ist oft ein guter Einstieg.
Christiane Lehmann: Wie ist denn die Stimmung insgesamt bei euch in der Belegschaft? Gibt es noch andere ver.di-Mitglieder? Wie wird ver.di, werden deine Aktivitäten in deinem Umfeld wahrgenommen?
Vanessa Gropp: Allein im Betriebsrat sind 70 Prozent bei ver.di. Und der BR ist schon bekannt im Haus. Von daher wissen die Kolleg*innen, wer wir sind, und wir haben auch unseren Stellenwert in der Belegschaft. Klar, es gibt immer ein paar, die abwinken: „Lass mich mal in Ruhe damit!“
Christiane Lehmann: Das freut mich sehr zu hören, dass dein Werben in so einem positiven Umfeld stattfindet. Ich wünsche dir und uns allen, dass du im weiteren Verlauf der Tarifverhandlungen noch tolle Mitstreiter*innen gewinnen kannst. Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast!
Du möchtest auch als Tarifbotschafter*in in der laufenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst aktiv werden? Du möchtest mehr über die Tarifrunde öD erfahren? Mehr über unsere Aktivitäten im Bereich Gesundheit & Soziales
Hier geht es zum Interview mit Tarifbotschafter Sebastian Gerhards
Mir scheint, da wurde wieder eine Jasagerin hochgelobt.