Im August 2020 kam die mobile Bank N26 in die Kritik, nachdem öffentlich wurde, wie rabiat das Management versucht hatte, die Gründung eines Betriebsrats zu blockieren, genauer gesagt, die Wahl des Wahlvorstands – am Ende erfolglos. Anfang November 2020 konnten die Beschäftigten ihren Betriebsrat wählen.

Ein knappes Jahr nach Betriebsratsgründung haben wir uns mit einem Mitglied des Betriebsrats getroffen und wollten wissen: Wie sieht es heute bei N26 aus?

Geschäftsmodell „mobile Banking“ – Online-Banking auf dem Smartphone

ver.di: Hallo Sally! Toll, dass du dir Zeit für uns nehmen konntest. Unsere erste Frage: Was ist eigentlich eine mobile Bank? 

Sally*: Bei N26 kann jede*r auf dem Smartphone ein Konto eröffnen und auch führen. Es gibt keine Filiale, alles läuft digital. Damit ist das Unternehmen eine Mischung aus Tech-Company und klassischer Bank. 

N26: Schöne neue, internationale Start-up-Welt???

ver.di: Wow, das klingt erstmal spannend! Und wer arbeitet bei N26? 

Sally:  Die N26 ist ein sehr junges Unternehmen. Die meisten Menschen sind unter 40 und Arbeitssprache ist Englisch. Am Standort Berlin arbeiten über eintausend Beschäftigte. Das sind total unterschiedliche Leute von überall aus Europa. Das hat auch etwas mit der Philosophie des Unternehmens zu tun. Das N26-Motto ist: „Wir machen die Dinge anders und genau damit sind wir erfolgreich.“

Lange Zeit hat sich die N26 vor allem als Tech-Unternehmen verstanden und vorrangig Tech-Personal und weniger Finanzfachleute eingestellt. Nach einigen unschönen Schlagzeilen hat sich das geändert. Heute versteht sich das Unternehmen als Bank und sie haben begonnen, mehr Fachpersonal aus dem Bankensektor anzuwerben. 

ver.di: Interessant! Start-ups schmücken sich ja häufig damit, dass sie wie eine Familie sind. Was gibt es da für Probleme? 

Sally: Stimmt, viele Start-ups versprechen eine neue Arbeitswelt. Ich denke, das wird auch oft als Schleier genutzt. Bis wann ist man denn zum Beispiel ein Start-up? Die N26 sitzt ja nicht in einer Garage mit nur fünf Angestellten, sondern ist ein transnationales Unternehmen mit über tausend Beschäftigten und noch mehr Kundschaft. Das Unternehmen hat damit viel Verantwortung und das muss das Management akzeptieren.  

Befristete Arbeitsverträge und schlechte Kommunikation

Mit dem Start-up-Denken sind einige Probleme verbunden, zum Beispiel der Missbrauch von befristeten Verträgen. Bei der N26 werden immer wieder gute Beschäftigte entlassen bzw. deren Verträge werden nicht erneuert, ohne dass es dafür einen Grund gibt. Der dahinterliegende Mechanismus ist, dass das Unternehmen flexibel und so als Investitionsobjekt attraktiv bleiben will. Das geht zu Lasten der Beschäftigten.

Ein anderer wichtiger Punkt ist das Thema Transparenz. Die Kommunikation im Unternehmen läuft nicht gut. Manchmal wirkt es, als sei das operative Geschäft vom Rest des Unternehmens abgeschnitten. Zum Beispiel wird ein Produkt verändert, der Kundenservice wird darüber allerdings nicht informiert und kann dann die Anfragen der Kundschaft nicht beantworten und die ist natürlich sauer. Dazu kommen die eher „klassischen“ Probleme wie niedrige Gehälter und unklare Gehaltsstrukturen. 

N26-Kundenservice: Dank Petition ins Homeoffice

ver.di: Ok und zu welchem Zeitpunkt habt ihr euch entschieden, einen Betriebsrat zu gründen? 

Sally: Das war gar nicht so ein klarer Entschluss. Vielleicht muss ich ein paar Schritte zurückgehen, um das zu erklären. Ende März 2020, als immer klarer wurde, dass wir auf eine weltweite Pandemie zurollen, hat der N26-Kundenservice darum gebeten, ins Homeoffice wechseln zu dürfen. Wir sind eine mobile Bank –, das geht eigentlich ohne Probleme. Aber das Management hat es nicht gestattet. Also haben einige Kolleginnen und Kollegen eine Petition gestartet und Unterschriften gesammelt. Etwa 90 Prozent der Beschäftigten im Kundenservice haben unterschrieben. Infolge durften alle, die schon länger als ein Jahr im N26-Kundenservice gearbeitet haben, ins Homeoffice wechseln. Alle anderen mussten weiter ins Büro. 

Mehr von uns in ver.di, als wir dachten!

ver.di: Das war also eine Art erster Erfolg in der Interessenvertretung und im Anschluss habt ihr beschlossen, einen Betriebsrat zu gründet?

Sally: Jein. Es sind einfach immer mehr Beschäftigte von N26 bei ver.di eingetreten, aber das wusste niemand voneinander – im Büro kann man da ja nicht offen drüber sprechen. ver.di hat dann eine Versammlung einberufen und da gab es dann das große Hallo. Auf der Veranstaltung haben wir von ver.di alle Informationen zur Gründung eines Betriebsrats bekommen und es wurde entschieden, dass wir das machen wollen.

Um einen Betriebsrat zu wählen, braucht man allerdings erstmal einen Wahlvorstand. Der nächste Schritt war also, dass wir alle Beschäftigten zur Wahl des Wahlvorstands eingeladen haben. Und dann wurde es haarig – denn das Management hatte inzwischen von unseren Plänen Wind bekommen und für den gleichen Tag zu genau der gleichen Uhrzeit alle Beschäftigten eingeladen, um über Betriebsratsalternativen zu sprechen. 

Es gibt keine Alternative zur betrieblichen Mitbestimmung

ver.di: Wow, sie haben also direkt versucht, die Belegschaft zu spalten! Was genau meinten sie mit Betriebsratsalternative? 

Sally: Gute Frage, denn es gibt keine rechtlich-abgesicherte Alternative zu Betriebsräten. Sie haben also eine Interessenvertretung ohne Rechte gegründet. Sie nennen es das „employee representation board“. Für jede Geschäftseinheit ist ein*e Mitarbeiter*in im Board – das bedeutet bei uns zum Beispiel, dass eine Person 800 Beschäftigte repräsentiert, während wir im Betriebsrat zu elft sind

ver.di: Ach, es gibt heute sowohl das employee representation board als auch den Betriebsrat?

Sally: Ja, sie konnten die Wahl des Betriebsrats nicht stoppen. Und nachdem die Presse über den Fall berichtet hat, haben sie schnell ihre Strategie angepasst. Heute sprechen sie davon, dass das „employee representation board“ nie als Alternative, sondern immer nur als Ergänzung zur klassischen Betriebsratsarbeit gemeint war. Und klar macht es einen Unterschied, dass in einem internationalen Unternehmen wie N26 viele Beschäftigte nicht aus Deutschland kommen und nichts über die Existenz von Betriebsräten wissen.

Diese institutionalisierte Arbeitnehmervertretung in Betrieben ist ja auch eine sehr einzigartige deutsche Erfindung. Aber statt zahnloser Tiger braucht es einfach nur mehr Informationen und mehr Bewusstsein für die eigenen Rechte – auch in Unternehmen mit einer internationalen Belegschaft.  

Mehr betriebliche Mitbestimmung in der Tech-Branche

ver.di: Lange Zeit gab es in Tech-Firmen kaum gewerkschaftliche Mitbestimmung – das ändert sich langsam. Hier in Berlin gibt es inzwischen auch in anderen Berliner Tech-Konzernen Betriebsräte. Soundcloud ist ein gutes Beispiel.

Nach gut neun Monaten Mitbestimmung interessiert mich natürlich: Hat der BR schon erste Erfolge erzielt?

Sally:  Ich habe dir vorhin von der Petition erzählt, in der das Recht auf Homeoffice gefordert wurde. Seit es den Betriebsrat gibt, ist es zum Beispiel gelungen, dass mehr Leute – auch neue Kolleginnen und Kollegen – während der Pandemie im Homeoffice arbeiten dürfen und es gibt auch eine Regelung für die Zeit nach Covid.

ver.di: Sally, weiterhin viel Erfolg für die Betriebsratsarbeit und vielen Dank für das Gespräch!

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* Sally heißt in Wirklichkeit anders. Auch die Mitglieder des Betriebsrats arbeiten mit befristeten Verträgen und müssen befürchten, nicht verlängert zu werden.  


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