Foto: Zentrum ÜBERLEBEN

Marco Hahn: Mein Name ist Marco Hahn. Ich bin Medizinpädagoge und Leiter der Berufsfachschule Paulo Freire. Mein gelernter Beruf ist Gesundheits- und Krankenpfleger. Ich habe früher im Klinikum am Urban und bei Vivantes gearbeitet, war dort im psychiatrischen Bereich und im Bereich Ausbildung beschäftigt. Nach meinem Studium der Medizinpädagogik an der Charité habe ich Geflüchtete und Migrant*innen während ihrer Ausbildung unterstützt.

2012 habe ich dann gemeinsam mit unserer damaligen Geschäftsführung die Berufsfachschule Paulo Freire gegründet, die (nicht nur) Geflüchtete in den ersten Arbeitsmarkt bringt. 

Während des Studiums und auch danach war ich viel im Ausland unterwegs und habe verschiedene Formen der Pflege und der Ausbildung kennengelernt. Ebenfalls während meines Studiums habe ich beim Behandlungszentrum für Folteropfer als Dozent für Pflegebasiskurse gearbeitet.

Bedürfnisorientierte Ausbildung für Geflüchtete

Dort bieten wir eine bedürfnisorientierte Ausbildung im Gesundheits und Sozialbereich an, und zwar von der Beratung, Qualifizierung, Unterstützung, dem Nachholen von Schulabschlüssen bis hin zu einem staatlich anerkanntem Berufsabschluss. Träger ist die Zentrum ÜBERLEBEN gGmbH, die sich der Behandlung und Integration von traumatisierten Folteropfern und Bürgerkriegsflüchtlingen sowie ehemaligen politischen Gefangenen widmet – die größte Einrichtung in Deutschland in dieser Art.                                     

Ich bin gebürtiger Berliner und mit vielen verschiedenen Kulturen groß geworden. Mir ist es persönlich wichtig, dass es eine große Deckung gibt zwischen dem, was ich beruflich mache, und wofür ich stehe. 

Namensgeber Paulo Freire: Partizipation durch Bildung

ver.di: Mein erste naive Frage: Wer war der Namensgeber der Schule Paulo Freire?

Marco Hahn: Paulo Freire ist ein bekannter brasilianischer Pädagoge, der in den 1960er Jahren in Brasilien eine große Alphabetisierungskampagne angeschoben hat. Was im damaligen Brasilien nicht nur eine Bildungsinitiative war, sondern auch eine politische Kampagne, da das Wahlrecht mit der Alphabetisierung verknüpft war.

An diese Idee der Partizipation durch Bildung knüpfen wir mit unserer Arbeit  an. Wir geben Geflüchteten und anderen Bildungsbenachteiligten eine menschenwürdige Perspektive – und bekämpfen gleichzeitig den Fachkräftemangel.

Wir denken Schule anders, wir sehen Potenzial in Vielfalt

ver.di: Verstehe. Hinter dieser Schule steckt eine Vision.

Marco Hahn: Wir möchten Menschen eine positive Bildungserfahrung geben. Dass sie durch eine positive Bildungserfahrung erkennen, dass Bildung ein Schlüssel der Teilhabe und der Mitgestaltung ist. Im regulären Bildungssystem geht noch immer viel Potenzial in der Gesellschaft verloren!

Dabei versuchen wir, die Bildungsprobleme der Schüler*innen zu verstehen und bedürfnisorientiert zu arbeiten. Das Bonus-Programm für Schulen des Berliner Senats und unsere Projekte ermöglichen es uns, Sozialarbeiter*innen zu beschäftigen. So haben wir die Möglichkeit, Schule anders zu denken. Die Grenze dabei sind leider wie häufig die finanziellen Einschränkungen. (lacht)

Die e-learning–Plattform: das Potenzial von Vielfalt weitergeben

Überhaupt ist es mir wichtig, Geflüchtete nicht nur als Opfer zu sehen, sondern als Menschen mit vielen Fähigkeiten, die Vielfalt mitbringen, transkulturelle Kompetenzen. Auch an der Schule selbst leben wir diese Vielfalt. Ich bin froh, dass so engagiertes und qualifiziertes Personal an Bord ist, fitte Menschen, die unterschiedliche Ideen und Sichtweisen einbringen. 

Diese Sichtweise wollen wir auch weitergeben. Deswegen haben wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit eine e-learning Plattform aufgebaut, mit dem Ziel der transkulturellen Sensibilisierung im Gesundheitsbereich, für Pflegeeinrichtungen und Kliniken bundesweit. 

Teil der Lösung im Kampf gegen den Fachkräftemangel

ver.di: Die Schule ist ja im Prinzip eine Privatschule. Wie finanziert ihr euch?

Marco Hahn: Wir finanzieren uns durch ein Patchwork aus verschiedenen Töpfen und Spenden. Das ist super, dass es im Moment so funktioniert, aber eine dauerhafte und nachhaltige Lösung ist das nicht. Ich wünsche mir, dass wir dauerhaft refinanziert werden, weil wir ein Teil der Lösung im Kampf gegen den Fachkräftemangel sind und zugleich einen Beitrag zur gelingenden Integration leisten.

Die Pflegeeinstiegskurse werden über das Netzwerk bridge – Berliner Netzwerke für Bleiberecht finanziert und sind für die Schüler*innen kostenfrei. Leider ist es im Moment noch so, dass in der Ausbildung zur Sozialassistenz monatlich 100 Euro von den Auszubildenden beigebracht werden müssen. Das ist für viele ein Problem, aber im Moment können wir das leider nicht ändern.

Das Konzept: In drei Schritten fit für den Arbeitsmarkt

ver.di: Du hast es oben angerissen, aber: Kannst du euer Konzept noch mal erläutern? Was macht eure Schule so besonders?

Marco Hahn: Klar, gerne. Die Ausbildungsstruktur besteht im Groben aus drei Bausteinen: Da sind zum einen die sechsmonatigen Pflegebasiskurse. Sie sind gedacht als Einstieg, zur Eingliederung von Geflüchteten, um sie auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Der Kurs vermittelt die theoretischen und praktischen Grundlagen pflegerischen Handelns, in Unterricht und betreutem Praktikum. Wir arbeiten hier mit dem schon erwähnten Netzwerk bridge für Bleiberecht zusammen.

Die Teilnehmenden haben die Möglichkeit, auf viele Hilfsangebote zurückzugreifen, erhalten zum Beispiel unter anderem Begleitung in den anschließenden Bewerbungsverfahren. 

Der zweite Baustein ist das Projekt BBeRuf, ein Modellprojekt der Senatsverwaltung für Gesundheit. Das ist ein Pflegebasiskurs in Kombination mit einem Schulabschluss, der sogenannten „Berufsbildungsreife“, das war früher der Hauptschulabschluss. Das ist wichtig, weil viele Geflüchtete keine Dokumente über ihre Schulabschlüsse auf ihrer Flucht mitgenommen oder unterwegs verloren haben oder ihre Abschlüsse schlicht nicht anerkannt werden. Oder andere Menschen, die gerne in die Pflege wollen aber keinen Schulabschluss haben. Ziel dieses Kurses ist die Einmündung in die neue Ausbildung Pflegefachassistenz und natürlich die berufliche Tätigkeit in der Pflege.

Umfassende Beratung macht den Unterschied

Der dritte Baustein ist die zweijährige Ausbildung zur Sozialassistent*in – eine staatlich anerkannte Ausbildung – das ist mir wichtig -, mit der man im Bereich Erziehung oder im sozialpflegerischen Bereich arbeiten und mit der man mittleren Schulabschluss (MSA) nachholen kann. Das ist eine Ausbildung, die andere Schulen auch anbieten. 

Mit diesem Abschluss besteht die Möglichkeit, im Anschluss eine weitergehende Fachausbildung zu machen – zum Beispiel die generalistische Pflegeausbildung oder Erzieher*in. Im Moment haben wir vier Klassen in der Sozialassistenz und jeweils zwei Klassen Basiskurs und BBR-Kurse.

Diese Struktur ist das Ergebnis der Erfahrungen aus den letzten Jahren, die gezeigt haben, dass es wichtig ist, die Menschen da abzuholen, wo sie stehen. Aufgrund vieler fehlender Voraussetzungen könnten sie in die Fachausbildungen gar nicht direkt einsteigen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass sie die Praxis kennen lernen: In allen drei Ausbildungsmöglichkeiten machen Praxiseinsätze einen großen Anteil aus.

Wichtig ist: Alle Säulen sind eingebettet in ein Netz von Beratungsangeboten. Mit diesem Konzept ist die Schule in Deutschland ziemlich einmalig.

Viele Schüler*innen sind von Abschiebung bedroht

ver.di: Nur zum Verständnis: Kann man auch schon mit dem Pflegebasiskurs im ersten Arbeitsmarkt tätig werden?

Marco Hahn: Ja. Du kannst in der stationären und ambulanten Pflege als Assistenzkraft arbeiten. Das ist natürlich zum Teil prekär und ermöglicht keine Aufstiegschancen, aber als erster Schritt, um Erfahrungen im deutschen Gesundheitsbereich zu sammeln, kann das total wichtig sein. Im Unterschied zur Sozialassistent*in ist der Pflegebasiskurs aber nicht staatlich anerkannt.

ver.di: Wer sind die Menschen, die sich bei der Schule bewerben? Welchen Aufenthaltsstatus haben die Bewerber*innen? 

Marco Hahn: Wir haben 70 Prozent Frauen an der Schule, aber der Anteil der Männer bei uns wächst. Was den Aufenthaltstitel angeht, kann man nicht verallgemeinern, denn es gibt sehr verschiedene. Wir blicken auf die Einzelfälle und schauen, ob es sich um einen soliden oder nicht soliden Aufenthaltstitel handelt. Tatsächlich sind aber viele unserer Schüler*innen und Auszubildenden von Abschiebung bedroht. Auch da bieten wir eine aufenthaltsrechtliche Beratung an. 

Unsere politische Forderung: klare Regelungen für die Bleibeperspektive

Da das teilweise Einzelfallentscheidungen der Sachbearbeiter*innen in den Ausländerbehörden sind, sind die Bewertungen ganz unterschiedlich. Dabei besteht grundsätzlich die Möglichkeit, durch Integrationsleistungen zu einem soliden Aufenthaltstitel zu kommen.  

Das ist natürlich ein Widerspruch, dass man von den Leuten verlangt, sich zu integrieren und dass sie dazu beitragen sollen, den Fachkräftemangel zu überwinden, und dass man sie gleichzeitig mit Abschiebung bedroht. Deswegen ist die Bleibeperspektive eine zentrale politische Forderung von uns, sobald Integrationsleistungen wie die Aufnahme einer Ausbildung im sozialpflegerischen Bereich vorliegen.

Als Schulleiter schreibe ich in schwierigen Fällen immer wieder Stellungnahmen für die Ausländerbehörde. Oft erreichen wir etwas damit – aber das ist natürlich keine Lösung. Menschenrechte sind ja nicht verhandelbar. Wir brauchen die politische Lösung für die Bleibeperspektive der Geflüchteten und natürlich auch zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. 

Wenn der Abschluss aus dem Ausland nicht anerkannt wird

ver.di: Ich stelle mir vor, dass sich auch in den Klassen zur Sozialassistenz höher Ausgebildete befinden, deren Abschlüsse nicht anerkannt werden?

Marco Hahn: Das kommt durchaus vor, dass wir ausgebildete Pfleger*innen oder sogar Ärzt*innen in der Ausbildung haben, die sich noch in der Anerkennung befinden oder deren Anerkennung abgelehnt wurde, auch Fachfremde. Gerade haben wir zum Beispiel eine Auszubildende, die in ihrer Heimat Lehrerin war. 

ver.di: Eure Internetseite ist auf Deutsch. Wie sind die Sprachkenntnisse der Bewerber*innen – vor und nach dem Kurs? 

Marco Hahn: Die Unterrichtssprache ist Deutsch. Die Ausbildungsgänge beinhalten Praktika, auch in den Einrichtungen wird deutsch gesprochen. Es müssen also ausreichende Sprachkenntnisse vorliegen. Die meisten Bewerber*innen haben ausreichende Deutschkenntnisse. Manche sind ja auch schon ein paar Jahre in Deutschland.

Konkret gesagt: Im Pflegebasiskurs kann man mit A2 anfangen, das heißt, man muss sich zumindest im Alltag verständigen können. Aber Komplexeres, wie zum Beispiel die Beratung, die wir hier im Haus anbieten, bieten wir in vielen Muttersprachen an.

Probleme: Schulgeld, Trauma oder Rassismus

ver.di: Was sind typische Probleme der Bewerber*innen in der Ausbildung?

Marco Hahn: Ein ganz praktisches Problem, das unsere Auszubildenden aber sehr belastet, liegt darin, dass die Behörden Termine vergeben, die während der Arbeits- und Schulzeit liegen. Wie gesagt, die Ausbildung besteht in weiten Teilen aus Praktika. Gerade in der Pflege ist das schwierig, wenn Personal kurzfristig ausfällt.

Ein weiteres Problem für viele ist die Finanzierung. Als Privatschule müssen wir Schulgeld nehmen. Das ist für viele Schüler*innen ein Problem. Es hängt mal wieder vom Aufenthaltstitel ab, ob Schüler*innen BAFÖG bekommen oder nicht. Eine Stiftung oder Projekte, die unsere Schüler*innenschaft in diesem Punkt unterstützen, wären toll. Der Wegfall des Schulgeldes wäre aber das Sinnvollste, was laut Koalitionsvertrag auch vorgesehen ist.

Ein anderer Punkt ist die psychosoziale Belastung, sei es aufgrund von Trauma und / oder wegen der Trennung von der Familie. Aber auch der unsichere Aufenthaltstitel ist eine große psychische Belastung für viele. Sprachliche Herausforderungen können auch zum Problem werden – bei dem Stress, der in den Pflegeeinrichtungen herrscht, ist keine Zeit da, um alles in Ruhe oder mehrfach zu erklären. 

Rassismus äußert sich unterschwellig

Und klar: Es gibt auch Rassismus. Dabei muss ich sagen: Es gibt viele Entwicklungen, die in den letzten Jahren in eine positive Richtung gegangen sind. Teams sind vielfältiger geworden und mit dem Problem Rassismus wird offener und offensiver umgegangen. Aber klar, das Problem existiert weiterhin, sei es aus dem Kreis von Kolleg*innen, Vorgesetzten oder auch von Patient*innen und Bewohner*innen. Wenn Rassismus auftritt, äußert sich dieser zumeist unterschwellig – also eher passiv-aggressiv, was die Sache nicht besser macht.

Trotzdem machen Schüler*innen diese Erfahrungen und deswegen unterstützen wir sie. Einmal wöchentlich gibt es in der Schule Praxisreflexon. Wir bieten als Teil des Netzwerks „Schule ohne Rassismus“Kommunikationsworkshops und Projektwochen an, in denen wir Möglichkeiten aufzeigen, wie man mit Rassismus umgehen kann. Wir haben Empowerment-Workshops und falls erforderlich führen wir auch Gespräche mit den Leitungen.

Es ist wichtig, dass es in den Einrichtungen, die unsere Azubis aufnehmen, transkulturelle Teams gibt und dialogische Strukturen.

Brennpunktschule ohne Brennpunktprobleme

ver.di: Was ich mich auch frage: Sind in den Klassen zur Sozialassistenz ausschließlich Geflüchtete? Die Beschreibung liest sich eigentlich, als wäre sie an alle gerichtet und du sagtest ja, es wäre eine „normale“ Ausbildung …

Marco Hahn: In den Klassen zur Sozialassistenz liegt der Anteil der Geflüchteten bei zwanzig bis dreißig Prozent. Ansonsten besteht die Schüler*innenschaft hauptsächlich aus jungen Menschen aus dem Kiez, die meisten mit Migrationsgeschichte, aber durchaus mit deutschem Pass. Wir haben auch einige Schüler*innen ohne Migrationsgeschichte. Wir sind sozusagen eine Brennpunktschule, nur bislang ganz ohne die typischen und sogenannten „Brennpunkt-Probleme“. (lacht)

Berufsfachschule Paulo Freire – ein Konzept, das aufgeht

ver.di: Das finde ich gut, dass sich Geflüchtete mit Ur-Berliner*innen in der Ausbildung mischen. Wie erfahren die Kiez-Jugendlichen von der Schule?

Marco Hahn: Viele hören von uns über Mundpropaganda. Einige Schüler*innen kommen von anderen Schulen, an denen sie negative Bildungserfahrungen gemacht haben und haben das Gefühl, bei uns gut lernen zu können. 

ver.di: Wie hoch ist eure Abbrecher*innenquote im Vergleich und wie sind die Chancen eurer Absolvent*innen auf dem Arbeitsmarkt?

Marco Hahn: Die Zahl der Abbrechen*innen schwankt zum Teil, gerade nach der Coronapandemie, aber nach meinem Dafürhalten ist die Quote eher geringer als an vielen anderen Schulen. Und was die Absolvent*innen angeht: Sie haben gute Chancen auf dem Markt. Eher kommt es vor, dass sie teilweise selbst unsicher sind, ob sie die Anforderungen bewältigen. 

„bridge“-Netzwerk: viele Projekte – eine Erfolgsgschichte

ver.di: Das freut mich total. Das ist ja eine Bestätigung eures Konzeptes. Aber noch eine Frage: Du hattest vorhin das „bridge“-Netzwerk erwähnt und dass darüber die Pflegebasiskurse finanziert werden. Kannst du noch mal genauer darauf eingehen?

Marco Hahn: Klar. Das bridge-Netzwerk ist ein Zusammenschluss aus nicht-staatlichen Organisationen und der Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration. In den Netzwerken arbeiten Institutionen aus der Flüchtlingshilfe, Aus- und Weiterbildung, Politik, Verwaltung und Wirtschaft zusammen. 

Das Netzwerk unterstützt Asylsuchende, Geduldete und Geflüchtete mit befristetem Aufenthalt in Berlin bei der Suche nach Arbeit und Ausbildung und beim Nachholen von Schulabschlüssen. Wir decken innerhalb des Netzwerks den Bereich Gesundheit & Pflege ab. Die Initiativen und Projekte innerhalb des Netzwerks arbeiten sich gegenseitig zu und unterstützen einander in der Betreuung der Geflüchteten.

So viele Erfolgsgeschichten – wo bleibt das Bleiberecht?

ver.di: Schließlich: Gibt es positive Geschichten von Menschen, die es trotz aller Widerstände geschafft haben, sich im ersten Arbeitsmarkt zu behaupten?

Marco Hahn: Ja, die gibt es! Es gibt so viele tolle Geschichten, die wir mit unseren Absolvent*innen erlebt haben und erleben! 

Da ist zum Beispiel der Schüler, der – wie so viele – den Fluchtweg übers Meer genommen hatte. Er möchte unbedingt als Rettungssanitäter bei der Feuerwehr arbeiten und hat dort auch Praktika absolviert. Er hat schulisch super Leistungen gezeigt, auch in der Ausbildung.

Bis heute ist er von Abschiebung bedroht, trotz all dieser Leistungen. Für ihn habe ich eine individuelle Stellungnahme geschrieben, dadurch ergibt sich jetzt gerade eine Perspektive. Eine andere Schülerin kam mit Hauptschulabschluss, jetzt ist sie Kita-Leitung bei einem mit uns kooperierenden Träger.

Schluss mit den Widersprüchen!

Da ist die Frau aus dem Kosovo. Allein von der Herkunft her gibt es kaum Aussicht auf Bleiberecht. Sie hat bei uns alle Ausbildungen durchlaufen. Trotz dieser enormen Integrationsleistung ist ihr Status immer noch ungeklärt. Sie kann aber immerhin bleiben, solange sie ihren Lebensunterhalt selbst finanziert.

Ein anderer Geflüchteter wurde von Schleppern in Brandenburg ausgesetzt und hat dort über Jahre im Geflüchtetenheim gelebt. Er hat in dieser Zeit bei uns Therapie gemacht, Deutschkurse belegt, Basiskurs und Ausbildung absolviert und ist jetzt in der Straßensozialarbeit tätig.

Diese Beispiele zeigen doch auch wieder, wie widersprüchlich unser System ist, dass es trotz des drohenden Kollapses es so vielen enorm engagierten Menschen so schwer macht, dauerhaft im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

ver.di: Lieber Marco, Das sind in der Tat Geschichten, die Mut machen und Mut weiterzumachen. Danke für das Gespräch. Wir wünschen dir und deinem Team alles Gute. 

Auch in ver.di haben sich Menschen mit Migrationsgeschichte zusammengeschlossen, um ihre Stimme innerhalb und außerhalb von ver.di weiter hörbar zu machen. Lust mitzumachen?

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