Müllmänner der Entsorgungsbetriebe Ulm stehen auf dem Weinhof und klatschen. Die Gewerkschaft ver.di ruft in Ulm die Müllentsorger zum Warnstreik auf.
Müllwerker in Ulm. Foto: Weller/picture alliance/dpa

von Cornelia Berger, Leiterin Kommunikation

Die Gretchenfrage: Wer ist eigentlich schuld, wenn Müllwerker, ErzieherInnen, PflegerInnen und BusfahrerInnen die Arbeit niederlegen, während das Land mitten in der Pandemie steckt?

Ganz besondere Tarifverhandlungen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) verhandelt mit dem Bund, vertreten durch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), angeführt vom Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD), über die Gehälter und Arbeitsbedingungen der rund 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen.

Mit ihrer Arbeit haben diese Kolleginnen und Kollegen zur Zeit des Shutdown und nachdem die Abläufe wieder hochgefahren wurden, den Laden am Laufen gehalten – ob in den Krisenstäben der öffentlichen Verwaltungen, im öffentlichen Gesundheitsdienst, in Krankenhäusern, Kitas, Laboren, Zoos oder in der Justiz, um nur einige Beispiele zu nennen.

Mehr-Einsatz unter persönlichem Gesundheitsrisiko
Bezirk Ruhr-West stellt die 4,8 Prozent Forderung nach

Sie mussten coronabedingt die Abläufe ihrer Arbeit vollkommen neu justieren und gehen zum Teil immer auch wieder gesundheitliche Risiken ein, denn der öffentliche Dienst ist geprägt von den Menschen, für die er da ist: uns allen.

Und so wurden Anträge auf Kurzarbeit an Küchentischen bearbeitet und der Kontakt zu Schützlingen gehalten, auch wenn es keine persönlichen Begegnungen geben konnte, zum Beispiel, weil Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen sich außerstande gesehen haben, die Vorgaben zum Gesundheitsschutz adäquat umzusetzen. 

ver.di: „normale“ Tarifverhandlungen passen nicht in die Zeit
Mitarbeiter der Stadtreinigung stehen am Morgen im Stadtteil Harburg während eines Warnstreiks vor einem Betriebshof und halten ein Banner mit der Aufschrift «Saubere Stadt - Saubere Bezahlung». Die Gewerkschaft Verdi fordert für die bundesweit 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen 4,8 Prozent mehr Geld, mindestens aber 150 Euro, bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
Stadtreinigung Hamburg

Schon im Mai hat ver.di den öffentlichen Arbeitgebern von Bund und Kommunen das Signal gegeben, dass die Kolleginnnen und Kollegen in der Pandemie kein Interesse daran haben, eine Tarifrunde „wie immer“ zu erleben, mit Ritualen, die nicht in die Zeit passen, die wir grade erleben.

Der konkrete Vorschlag war, die Tarifauseinandersetzung zu verschieben, bis das Land aus dem Gröbsten raus ist und für diese Zeit einen Einmalbetrag auszuhandeln. Schließlich waren die Kolleginnen und Kollegen mit reichlich Applaus bedacht und als Heldinnen und Helden gefeiert worden und eine solche Anerkennung drückt sich eben auch in Geld aus. 

Verantwortungsloses Verhalten der Arbeitgeber*innenseite
Warnstreik in Schleswig
Schleswig

Die VKA hat diesen verantwortungsbewussten Vorschlag jedoch brüsk abgelehnt und klargemacht, dass sie eine „normale“ Tarifrunde führen will. Am 25. Juni bekräftigten die VKA-Vertreter, dass sie nicht an eine Verschiebung denken, über einen Einmalbetrag wurde nicht verhandelt.

Nun gehören immer zwei dazu, sich zu einigen: Wir sind jetzt an einem Punkt, wo die VKA zwar sagt, sie will auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ein schnelles Ergebnis, aber jetzt schon den zweiten Verhandlungstermin verplempert hat, ohne ein Angebot vorzulegen.

Druck machen – für Bürger*innen & einen starken öffentlichen Dienst
Eine überlebensgroße Figur des Incredible Hulk zeigt beim ver-di Warnstreik der Wirtschaftsbetriebe Duisburg Muskeln
Wirtschaftsbetriebe Duisburg, Foto: Christian Jürgens

Wir hingegen lassen unseren Worten Taten folgen: Und erhöhen mit den Streiks den Druck auf die VKA, endlich zu Potte zu kommen – für die Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber für die Bürgerinnen und Bürger. Die den öffentlichen Dienst brauchen, aktuell dringender denn je. 

Klar, sie sind auf den ersten Blick die Leidtragenden – Aber wir setzen auf die Solidarität der Menschen, wenn wir feststellen: Applaus allein reicht nicht. Was übrigens von der überwiegenden Mehrheit genauso gesehen wird. Und wer schuld an der Situation ist, dürfte aus unserer Sicht damit geklärt sein.

Cornelia Berger, Jahrgang 1972, studierte Philosophie, Literaturwissenschaft und Staatsrecht, arbeitete als Journalistin für den NDR, Radio Bremen und mehrere Tageszeitungen. Seit 2001 bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), u.a. als Pressesprecherin des Bundesvorstands, zuständig für den Handel und Postdienste. Von 2011 bis 2020 Geschäftsführerin der dju in ver.di, seit 2015 als Bereichsleiterin Medien in der ver.di-BundesverwaltungBundesverwaltung, zuständig für rund 40.000 Mitglieder aus allen Berufen, die „was mit Medien“ zu tun haben. Seit Oktober 2020 leitet Berger den Bereich Kommunikation in ver.di.

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