Frieda demonstriert für höhere Löhne bei den Berliner Wasserbetrieben – auch für Azubis und Dual Studierende.
Foto: KAY HERSCHELMANN

Wir treffen Frieda und Halis vor dem Kongresshotel in Potsdam. Der Anlass: Auftakt für die erste Runde der Tarifverhandlungen für die Angestellten bei Bund und Kommunen.

Mit ihren Kolleg*innen sind die beiden Nachwuchskräfte der Berliner Wasserbetriebe zum Hotel gekommen, zusammen mit mehreren hundert Beschäftigten aus Brandenburg, Potsdam und Berlin. Wir fragen die beiden, was die Forderungen aus der laufenden Runde für sie bedeuten.

ver.di: Stellt euch doch mal kurz vor und erzählt und, warum ihr heute hier zur ersten Tarifrunde in den Tarifverhandlungen für die Angestellten für Bund und Kommunen in Potsdam vor Ort seid!

Frieda: Hallo, ich bin Frieda. Ich mache ein duales Studium für industrielle Elektrotechnik bei den Berliner Wasserbetrieben, bin jetzt im fünften Semester und in der Jugend- und Auszubildendenvertretung aktiv.

Halis: Hi, ich bin Halis. Ich bin Azubi bei den Berliner Wasserbetrieben, mache eine Ausbildung zum Industriekaufmann und bin wie meine Kollegin nebenbei ebenfalls in der JAV. 

Und warum ich heute hier bin? – Wir sind heute gemeinsam aktiv. Es geht ja nicht nur um mich oder Frieda, es geht um uns alle. Es ist das große Ganze.

„Unsere Löhne reichen nicht aus, um über die Runden zu kommen“
Auch Halis sagt: „Geld ist aktuell das größte Problem.“ Foto: KAY HERSCHELMANN

Frieda: Wir sind alle von der gegenwärtigen Situation betroffen, nicht nur von der Inflation selbst, sondern auch von den ganzen Sorgen, die damit einhergehen. Wir haben wirklich alle Probleme im Moment deswegen und die müssen wir gemeinsam bekämpfen. Nur gemeinsam sind wir stark und deswegen beteiligen wir uns auch gemeinsam an dieser Aktion.

ver.di: Was sind im Moment eure größten Sorgen im Alltag? 

Frieda: Die meisten von uns wohnen nicht mehr bei ihren Eltern. Das bedeutet aber, dass wir aktuell mit den hohen Kosten durch die Inflation alleine dastehen, keine großen Hilfen haben. Das betrifft vor allem die Energiepreise, die gestiegen sind. Es heißt ja immer so schön: „Na, sie verdienen ja genug!“ Dazu kann ich nur sagen: Man verdient nie genug und es ist ganz sicher nicht genug, um den gegenwärtigen Anstieg der Lebenshaltungskosten zu stemmen!

Halis: Ich finde auch, dass die größte Sorge der meisten aktuell die Geldprobleme sind. Unser Lohn reicht kaum, um über die Runden zu kommen. Und das Mehr haben wir uns verdient. Azubis verrichten oft die gleiche Arbeit wie Ausgelernte, auch gefährliche Arbeiten. Ich bin dafür, dass auch die Ausgelernten, die Techniker*innen, fair entlohnt werden für ihre schwere Arbeit, für ihre harte Arbeit, für ihre gefährliche Arbeit. Deswegen stehe ich hinter den 500 Euro mehr Lohn. Das gilt aber auch für uns Azubis, wenn wir die gleiche Arbeit machen.

Wasserbetriebe: „Viele bei uns arbeiten mit giftigen Stoffen“
Beschäftigte vor dem Kongresshotel in Potsdam zur ersten Verhandlungsrunde in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst 2023, Bund & Kommunen

ver.di: Was sind denn gefährliche Arbeiten bei den Wasserbetrieben?

Frieda: Das hängt natürlich ganz davon ab, welchen Job man bei uns bei den Wasserwerken ausübt. Aber es ist tatsächlich so, dass wir viele Berufsgruppen haben, die eben auch mal die Kanäle runterklettern müssen, um dort irgendwelche Havarien zu beheben oder Ähnliches. Die haben dann auch Kontakt mit gefährlichen Stoffen. Da kommt es natürlich zu Risiken, denen die Azubis eben auch ausgesetzt sind, unter Umständen.

Ich selbst bin im Bereich Planung und Bau. Das heißt, ich bin im Büro und bin davon nicht betroffen. Ich kenne aber genug Leute, Kolleg*innen von mir, Freund*innen aus der Ausbildung, die eben in diesen Berufen arbeiten und die eben dementsprechend auch entlohnt werden sollten für die Arbeit, die sie tun. Sind wir ganz ehrlich: Die Berufe, bei denen man wirklich in Kontakt mit Klärschlamm kommt, das wollen die wenigsten Leute machen und dementsprechend gut sollte das auch bezahlt werden.

Mobiles Arbeiten auch für Azubis?

Halis: Als angehender Industriekaufmann arbeite ich auch im Büro. Deswegen habe ich mich für diese Ausbildung entschieden. Aber auch im Büro gibt es Probleme. Viele Azubis wünschen sich mobiles Arbeiten, das ist heutzutage in vielen Branchen einfach Standard. Die ausgelernten Angestellten dürfen das bei uns auch. Warum wir Azubis nicht? – Diese Frage stellen sich alle Neuen, die bei uns anfangen. Das betrifft übrigens auch unsere Betreuer*innen. Sie müssen für uns ansprechbar sein und deswegen dürfen sie auch nicht mobil arbeiten. Finde ich auch nicht cool. Wir sollten mit der Zeit mitgehen und uns jetzt auch modernisieren und digitalisieren.

Das Azubi-Gehalt sichert kaum das Überleben
ver.di-Mitglieder vor dem Kongresshotel in Potsdam im Januar 2023

ver.di: Wie wichtig sind für euch die Forderungen von 200 Euro mehr für Azubis und dual Studierende und die unbefristete Übernahme?

Frieda: Die 200 Euro mehr sind eine überlebenswichtige Forderung. Wir hoffen sehr, dass sie durchkommt, denn wir brauchen das Geld dringend.

Wie ich dir schon erzählt haben, spüren wir alle die Inflation am eigenen Leib, gerade wenn man – wie ich – ausgezogen ist von den Eltern. Berlin ist eine Stadt, die super teuer ist. Das betrifft Lebensmittel oder Wohnen. 

Ich wohne in einer WG, was das Leben überhaupt erst halbwegs möglich macht. Aber ich merke trotzdem: Alles, was man sich vorher als kleinen Luxus gegönnt hat, das ist komplett weggefallen. Mal was essen gehen oder so –  das ist überhaupt nicht mehr möglich.

Die Lebensmittelpreise sind so stark gestiegen, dass ich wirklich nur noch das Nötigste kaufe, nicht mehr die Sachen, die gesund sind, sondern es geht wirklich nur noch nach Preis. Dabei denke ich: Das kann es doch eigentlich nicht sein, dass man sich so doll Gedanken darüber machen muss, ob man sich das leisten kann, etwas Gutes zu essen oder nicht.

Wir hoffen deshalb, dass in dieser Tarifrunde eine Entlastung geschaffen wird, die sich auch nachhaltig bemerkbar macht.

Halis: Ich bin für die Ausbildung nach Berlin gezogen. Ich komme ursprünglich aus der Gegend um Köln. 2021 ging es noch mit dem Lohn einigermaßen, am Ende des Monats war ich bei plusminus null. Das war OK. Ich habe auch nicht mehr erwartet, dafür, dass ich eine Ausbildung mache und alleine in Berlin lebe.

Wenn ich jetzt sehe, was Lebensmittel mittlerweile kosten, finde ich die Forderung sogar noch ein bisschen zu niedrig. Und die Azubis, die jetzt  anfangen und von außerhalb nach Berlin kommen, werden es noch schwerer haben zu überleben bei dem jetzigen Preisniveau.

Fachkräftemangel, aber keine Übernahmegarantie

ver.di: Wie sieht es bei den Berliner Wasserbetrieben aus: Werden Azubis nach dem Ende der Ausbildung übernommen?

Halis: Ich kenne Betriebe, die feste Übernahmeregelungen haben. Wir leider nicht, wir haben nur eine Jahres-Übernahme. Ob man am Ende der Ausbildung übernommen wird, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Ich bin aber dafür, dass es eine feste Übernahme für jeden Azubi gibt. Damit ich mit den Kolleg*innen, mit denen ich mich angefreundet habe, an die ich mich gewöhnt habe, weiter meinen Weg gehen kann. 

Ich finde, das ist nicht viel verlangt dafür, dass wir drei Jahre ausgebildet worden sind für diese Arbeit. Wo ist denn der Dank dafür, dass wir hier drei Jahre gelernt und gearbeitet haben und am Ende wissen wir nicht mal, ob wir einen festen Job bekommen?

Frieda: Hinzu kommt: Weil die Berliner Wasserbetriebe im Bereich Abwassertechnik ein Monopol haben, findet man in Berlin auch schwer einen anderen Beruf oder eine andere Firma, wo man seinen Beruf ausüben kann. 

Dabei ist der Bedarf ja da. Da finde ich es einfach nur super sinnvoll, wenn Azubis fest übernommen werden. Wir Azubis haben ja auch das Wissen, das die älteren Kollegen uns weitergegeben haben, die danach vielleicht in Rente gehen. Damit dieses Wissen erhalten bleibt, damit weiterhin in unseren Wasserwerken, Klär- und Pumpwerken gut gearbeitet wird – auch deswegen sollte es eine Übernahmeregelung geben.

Unser Tipp an die Arbeitgeber: vorhandene Fachkräfte wertschätzen!

ver.di: Ihr habt erwähnt, es gibt einen Bedarf an Fachkräften. Bekommt ihr das mit: Kommt denn noch Nachwuchs nach?

Frieda: Also was ich gehört habe, kommen immer mehr weniger Bewerbungen rein – gerade für die Berufe, die mit Abwasser zu tun haben, weil sie eben nicht sonderlich beliebt sind. Es wird immer schwieriger, geeignete Azubis zu finden für die Stellen, die wir frei haben. Also da muss auf jeden Fall mehr daran gearbeitet werden, die Leute, die wir haben, auch zu halten.

Halis: Bevor man sich über den Fachkräftemangel aufregt, sollte man sich lieber um seine derzeitigen Fachkräfte kümmern und dafür sorgen, dass die vielleicht einfach mal bleiben bzw. bleiben können. 

ver.di: Danke für das Gespräch!

Lust bekommen, auch aktiv zu werden? – Prima! Hier könnt ihr euch an der Tarifrunde im öffentlichen Dienst 2023 beteiligen.

One thought on “Nachwuchs bei den Berliner Wasserbetrieben zur laufenden Tarifrunde: „Wir brauchen die 200 Euro mehr dringend für Miete und Lebensmittel“

  • 14. April 2023 um 10:09
    Permalink

    200 Euro sind aktuell auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein;(

    Martin

    Antwort

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