Performance der Beschäftigten im Handel
Foto: CHARLES YUNCK

Der zweite Tag beginnt kraftvoll: Morgens um 8 Uhr stehen bereits 120 engagierte Mitglieder aus dem Handel vor dem Haupteingang des Estrel. Mit einer bunten und lauten Tanz-Performance ziehen sie wenig später quer durchs Gebäude ins Auditorium auf die Bühne. 

So fröhlich die Tanzperformance ist, ist sie gleichzeitig ein lauter Aufschrei für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Löhne. Nicht nur dass die Arbeitgeber beschämende Angebote vorlegen, die nicht annähernd die Inflation ausgleichen, versuchen sie unsere Mitglieder einzuschüchtern und überziehen die Organisation mit einstweiligen Verfügungen uns Klagen. Die Organisation steht solidarisch hinter den Kolleg*innen.

Foto: KAY HERSCHELMANN

Für heute sind die Wahlen unserer höchsten Gremien, des Gewerkschaftsrates und des Bundesvorstands, angesetzt. Doch vorher findet die Aussprache zum Geschäftsbericht statt. Doch weil ver.di bunt und vielfältig und unsere Mitglieder sind – zum Glück – diskussionsfreudig – und deswegen gibt es 47 Wortmeldungen zu Frank Wernekes Rede zum Geschäftsbericht. Und das dauert, natürlich. Und weil bei uns jedes Mitglied zu Wort kommt, nehmen wir uns die Zeit, auch wenn wir dadurch mit dem Organisationswahlen in Verzug geraten. Wir haben so viel erreicht – irgendwie kriegen wir auch einen neuen Zeitplan hin.

Lunch Talk: unser tägliches Interview-Format, direkt vom Bundeskongress

Mittags haben wir im Ressort Kommunikation ein eigenes Debüt: Ab heute streamen wir jeden Tag direkt vom BuKo einen Lunch Talk: In der ersten Ausgabe spricht die Leiterin der Kommunikation Conny Berger mit unseren internationalen Gästen über die Herausforderungen internationaler Gewerkschaftsarbeit.

Am Dienstag begrüßen wir die frisch gewählten Spitzen von Gewerkschaftsrat und Bundesvorstand auf dem roten Sofa. Schaltet gerne rein!

So bunt und divers ist ver.di: alt, jung und seeeehr diskussionsfreudig!
Foto: KAY HERSCHELMANN

Von der Mandatsprüfungs- und Wahlkommission erfahren wir, dass die jüngste Delegierte 19 Jahre jung ist, die älteste 85. Das Durchschnittsalter der Delegierten liegt bei 52,5 Jahren. 63 Mandate gehen an die Jugend, 82 an die Senior*innen. Von den anwesenden Delegierten sind 563 Frauen und 363 Männer, 2 Delegierte sind divers. Die Berichte der Kommission sind die Grundlage dafür, dass der Kongress Entscheidungen treffen kann.

Vor den Wahlen findet die Aussprache zum Geschäftsbericht statt. Und weil ver.di so bunt und vielfältig ist und unsere Mitglieder – zum Glück – diskussionsfreudig sind, gibt es allein 47 Wortmeldungen zu Franks Rede zum Geschäftsbericht vom Vortag. Und das dauert – natürlich -, weil bei uns jedes Mitglied zu Wort kommt. Dadurch geraten wir mit dem Organisationswahlen etwas in Verzug. Die Kongressleitung reagiert souverän – schon bald steht der neue Zeitplan, die Wahlen finden wie geplant, nur etwas später statt.

Christine, Frank und Andrea nehmen zu einigen Beiträgen direkt Stellung, andere werden im weiteren Verlauf des Kongresses diskutiert. Andrea nimmt Stellung zum Streik im Handel. Frank verpflichtet sich, den „TV Stud“, den Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte, durchzusetzen. Auch was den Verkauf des Hamburger Hafens angeht; hier wird sich die gesamte Organisation in den Kampf einbringen, verspricht er. Und zum Thema Ukraine-Krieg stellt er klar: NIEMAND in ver.di ist auf Kriegskurs. Wir haben uns klar aufgestellt zum 2-Prozent-Ziel. Aber wir halten auch Rücksprache mit ukrainischen Gewerkschafter*innen. Und da ist klar: Kapitulation ist nicht deren Position. Diesen Spagat müssen wir aushalten.

Zum Thema Arbeitszeit positioniert sich Christine. So soll es eine neue Beschäftigtenbefragung geben. Falls nötig kündigen wir die bisherigen Regelungen und ziehen 2025 mit den neuen Forderungen in den Kampf

Kevin ist Archivar beim Kreisarchiv Nordwestmecklenburg und Personalratsvorsitzender. Er ist zum ersten Mal beim Bundeskongress als Delegierter dabei und berichtet von seinen Eindrücken: „Der zweite Kongresstag stand ganz im Zeichen der Geschäftsberichte und Wahlen. Mit 47 Wortmeldungen wurde der Geschäftsbericht ausführlich diskutiert. Ich hätte es zwar anfangs nicht gedacht, letztlich konnten aber auch die Wahlen des Gewerkschaftsrates und des Bundesvorstandes heute noch erfolgreich abgeschlossen werden. Insgesamt dauerte der Tag knapp 13 Stunden. Das hat an den Kräften gezerrt, sich aber auch mehr als gelohnt. Schließlich sind wir genau für diesen inhaltlichen Austausch als Delegierte beim Kongress. 

In den Pausen konnte ich in der Ausstellung mit tollen Initiativen ins Gespräch kommen. Die dort erfolgte Vernetzung ist ein wichtiger Bestandteil des Bundeskongresses. Von dieser Vernetzung profitieren wir alle, wenn wir nach dem Kongress wieder in unseren Betrieben und Dienststellen zurück sind.“ 

Wir gratulieren der neuen Gewerkschaftsratsvorsitzenden
Frank Werneke mit dem Präsidium des Gewerkschaftsrats,
links neben ihm die neue Vorsitzende Lisette Hörig
Foto: KAY HERSCHELMANN

Am Nachmittag wird dann endlich gewählt. Wahl und Konstituierung des Gewerkschaftsrats gehen noch recht schnell vonstatten. Nach dem Mittagessen können wir Lisette Hörig als neuer Vorsitzender des höchsten Gremiums der Ehrenamtlichen gratulieren. Der Gewerkschaftsrat ist übrigens eine Art ver.di-Aufsichtsrat, der die Arbeit des Bundesvorstands kontrolliert.

Der neu gewählte Bundesvorstand. V.l.n.r.: Silke Zimmer, Rebecca Liebig,
Christoph Meister, Christine Behle, Frank Werneke, Andrea Kocsis,
Christoph Schmitz, Sylvia Bühler und Detlef Raabe
Foto: Kay Herrschelmann

Obwohl der Tag mittlerweile sehr vorangeschritten ist, folgt am Nachmittag der Höhepunkt des Tages: die Wahl des neuen Bundesvorstands. Und das dauert, da die Kandidat*innen jeweils 10 Minuten Zeit haben, um für sich zu werben. Sie weisen auf Erreichtes hin und skizzieren pointiert ihre Vorhaben. Und das ist auch der Zeitpunkt, an dem es emotional wird.

Frank zum Beispiel zeichnet das ganz und gar wunderbare Bild unserer Organisation als „dem interessantesten und vielfältigsten Projekt auf der hellen Seite der Macht“. Er beschreibt seinen Führungsstil als „kollegial“, als „ruhige, aber dabei entschlossene“ Führung. – Und das wird von den Delegierten honoriert! – Atemlose Stille liegt über dem Saal, als die Kongressleitung ankündigt, dass das Ergebnis vorliegt – und dann die obligatorische Kunstpause macht. Mit grandiosen 92,5 Prozent schicken die Delegierten Frank Werneke in die zweite Runde.

Eine glückliche Andrea Kocsis nach dem Wahlergebnis
Foto: KAY HERSCHELMANN

Andrea Kocsis lässt die Erinnerung an die Tarifrunde bei der Post Anfang des Jahres aufleben und erzählt eindringlich von ihren Erfahrungen in der Mindestlohnkommission: Die Arbeitgeber haben uns in der Kommission überstimmt, ohne mit der Wimper  zu zucken. Alles, was wir für erforderlich halten, ist für sie der Untergang der deutschen Wirtschaft.“

Christine Behle fordert, dass die Infrastruktur in öffentlicher Hand bleiben muss – auch in Hinblick auf den Verkauf des Hamburger Hafens. Ein weiteres Projekt für ihre nächste Amtsperiode: der gemeinsame bundesweite Tarifvertrag im öffentlichen Nahverkehr 2024.

Damit bringen sie die Delegierten hinter sich: Beide erreichen Ergebnisse von über 90 Prozent. Mit diesem tollen Ergebnis sind der Vorsitz und die Stellvertretung komplett.

Tagesimpressionen
Foto: CHARLES YUNCK

Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz weist darauf hin, dass die Umgestaltung der Organisation erfolgreich war. Weitere tolle Erfolge aus dem von ihm geführten Bereich: die Rückführung der Commerzbank- Töchter zurück in den Tarif oder die von uns begleitete Betriebsratswahlen bei dem Social-Media-Netzwerk TikTok oder der Online-Bank N26. Auch seine Bewerbung ist erfolgreich. Er wird von den Delegierten mit einer Zustimmung von über 92 Prozent belohnt.

Sylvia Bühler kann auf die Krankenhausbewegung und die Entlastungs-Tarifverträge bei den Universitätskliniken verweisen: „Wir haben mit den Tarifverträgen Entlastung Geschichte geschrieben. Ein Betrieb, eine Belegschaft, ein Tarifvertrag!“ Ein großes Ziel ihrer nächsten Amtszeit: die Abschaffung des sogenannten „Sonderwegs“ der kirchlichen Träger. Hier erntet sie großen Applaus. Auch sie wird belohnt mit knapp 87 Prozent Zustimmung.

Stark für den Handel: Silke Zimmer
Foto: CHARLES YUNCK

Aus Nordrhein-Westfalen kommt Silke Zimmer, die dort den Handel verantwortet. Sie möchte Stefanie Nutzenberger ablösen, die im Bundesvorstand für den Handel verantwortlich war. Sie hält eine kraftvolle  Rede, erzählt von Menschen, die durch die Gewerkschaft über sich hinauswachsen wie die Kollegin im Handel, die nach langen Jahren passiver Mitgliedschaft ihren ersten Arbeitskampf mitmacht und auf einmal zu Tausenden von Menschen sprach. Silke Zimmer: „Wie diese Kollegin fühle ich mich gerade.“ Und natürlich ist Handel ihr Thema: Sie spricht von den sich wandelnden Anforderungen durch die Digitalisierung und von Altersarmut. „Altersarmut hat ein Gesicht – und das ist weiblich.“, kritisiert sie. Hier ist Silke im Interview.

Gegen Lohndumping, mehr Tarifbindung
Foto: KAY HERSCHELMANN

Rebecca Liebig verantwortet das Ressort Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, vertritt Erwerbslose oder Migrationspolitik. Ihre Bewerbung ist sehr persönlich gehalten. Sie erzählt, wie sie von Ghana nach Deutschland kam und später lange Zeit bei einer Versicherung als Personalsratsvorsitzende für Gerechtigkeit kämpfte. Ihre Überzeugung: Wir stehen dafür ein, dass jede Person, die willens ist, Lebens- und Arbeitsbereiche mit uns zu gestalten, bei uns willkommen ist. Großer Beifall!

Beide „Neulinge“ erobern mit ihrer Vorstellung Hirn & Herz der Delegierten und erreichen tolle Ergebnisse von über 90 %, tosender Applaus im Saal, Blumensträuße und Umarmungen und Sprechchöre der Unterstützerinnen.

Finanzen und Personal: Welcome back Christoph Meister und Detlef Raabe!
Impressionen aus dem BuKo-Alltag
Foto: KAY HERSCHELMANN

Christoph Meister ist bei ver.di für die Finanzen zuständig. Sympathisch und ruhig wirbt er darum, dass bei ihm das Vermögen der Organisation in vertrauensvollen Händen liegt und er erzählt humorvoll von der Rettung der Bildungsstätte in Saalfeld.

Detlef Raabe ist bei ver.di für Personal verantwortlich. Trotz mittlerweile später Stunde trifft er genau die Stimmung unserer Mitglieder. Sein Motto: „Wenn wir alle an einem Strang ziehen, können wir die Welt verändern!“ Und so können auch die letzten beiden Bundesvorstandsmitglieder tolle Ergebnisse und eine hohe Zustimmung einfahren. Mehr zu den Wahlen.

Fazit: Tagesziel erreicht, wir sind beschlussfähig! Alle happy, Stimmung super, aber wir sind auch alle ordentlich erledigt. Dabei fängt die eigentliche Arbeit für die Delegierten erst an. Ab morgen werden sie über die rund tausend Anträge beschließen. Wir sind natürlich wieder dabei und berichten für euch aus erster Hand. Auch für morgen gilt: Folgt dem Kongress auf unserem Live Stream! Und auch morgen gibt es wieder einen Lunch-Talk um 13.45 Uhr auf unserer Facebook-Seite oder auf YouTube 

Rückblick Tag 1: Auf in die Zukunft!
Rückblick Tag 3: Hoch die Internationale Solidarität!
Rückblick Tag 4: Vom Wert, von der Würde und vom Wandel der Arbeit
Rückblick Tag 5: ver.di to the core – Anträge, Anträge, Anträge
Rückblick Tag 6: Volle Pulle Endspurt – der ver.di-Bundeskongress endet emotional

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